Bayern: Waldbaden mit Dramaturgie

Auch im Winter ein Erlebnis mit Tiefenwirkung: Waldbaden im Schnee.
Auch im Winter ein Erlebnis mit Tiefenwirkung: Waldbaden im Schnee. Foto: erlebe.bayern Peter von Felbert

Waldgesundheit ist nicht erst seit der Auszeichnung Bayerns von insgesamt 13 Wäldern als „Kurwald“ oder sogar als „Heil- und Kurwald“ in aller Munde. Es ist schon länger erwiesen, dass ein Bad im Wald das Hormon-, Nerven- und Immunsystem stärkt, Blutdruck und Stresslevel senkt und beim Abschalten und Auftanken hilft – gerade auch im Winter. Was aber steckt hinter diesem Trend, der jetzt auch in Deutschland in die schulmedizinische Therapie inkludiert werden soll?

Den Bäumen zuhören

Wer waldbadet, der nimmt sich Zeit, geht bewusst abseits der Wege und taucht ein in eine Welt, die wir im Alltag gerne mal vergessen: das tiefe Grün de Nadelbäume im Kontrast zum weißen Schnee, eingebettet in Geräusche, die wir uns sonst gerne zum Runterkommen auf unsere Playlist laden.  Angst davor, sich außerhalb breit getretener Pfade zu verirren, muss niemand haben: Waldbademeister, speziell ausgebildete Personen, begleiten ihre Schülerinnen und Schüler auf der knapp dreistündigen Reise zurück zu sich selbst und erleichtern ihnen durch spezielle Übungen wie einer Teezeremonie oder einem Dankbarkeits-Mandala, das Eintauchen in den Wald, das Loslassen von Gedanken und Gefühlen. 

 Der Wald als kostenlose Therapie

Einer von ihnen ist Thomas Müller aus Bad Füssing. Der frühere Kommunalpolitiker ist seit drei Jahren als Dozent an der Deutschen Akademie für Waldbaden zuständig für Bayern und Österreich, und schwört nach einem Burnout auf den Wald für Heilung, aber auch zur Vorbeugung. „Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die die ganzheitliche Wirkung der „Grünkraft“ beweisen, dabei wird sogar die Bildung von Anti-Krebszellen gefördert“, erklärt der überzeugte Wald- und Gesundheitstrainer.  

 Zu verdanken haben wir die gesundende Wirkung des Waldes unter anderem den Terpenen, den wichtigsten Ingredienzen ätherischer Öle, die aus Rinde und Blättern ausdünsten. Nimmt der Mensch sie über Haut und Lunge auf, beruhigt sich der Sympathikus, ein Teil des vegetativen Nervensystems, der in Stresssituationen Flucht- und Kampfreaktionen steuert. Zugleich erhöht der Ruhe-Nerv Parasympathikus, der als Gegenspieler des Sympathikus der körperlichen Regeneration dient, seine Aktivität. Outdoor-Aromatherapie für Immun-, Hormon- und Nervensystem. 

Mit offenen Ästen empfangen

Zu Beginn jeden Waldbadens „hebt“ Thomas Müller ein imaginäres Stopp-Schild. Das ist notwendig, damit die Teilnehmer ihren Alltag loslassen und mit allen Sinnen in die Atmosphäre des Waldes eintauchen können. „Erst dann gelingt ein erfüllendes Waldbaden“, so Müller. Und das tut es immer. Schließlich „empfängt der Wald mit seinen offenen Ästen“ – und der Waldgesundheitstrainer sorgt nach dem Stopp-Schild mit über 100 Übungen dafür, dass auch der größte Zweifler die Kraft des Waldes spürt.  Von Augenyoga über Fokussierungs- bis hin zu Gehübungen, um in die Langsamkeit zu kommen – „das Waldbad braucht eine spezielle Dramaturgie“. Eine, die Müller mit seinem besonderen Gespür für Menschen immer wieder neu auflegt. Am Ende kommt niemand so aus dem Wald, wie er hineingegangen ist.