Über dem Wasser tanzen kleine Schwaden, steigen auf, lösen sich auf, bilden neue Formen. Der Nebel ruht sanft auf der Oberfläche, als würde er das Wasser zudecken, damit die Welt draußen für einen Moment vergessen werden kann.
So oder ähnlich könnte das die Szene eines nasskalten und trüben Novembertages an irgendeinem See sein, aber wir sitzen im Außenbecken der Bodenseetherme Konstanz im warmen Blubberwasser. Die Luft ist kühl, feucht, klar — ein Novemberabend, der uns mit seiner frischen Stille umfängt. Doch in dem Moment, in dem wir durch die warme Wasseroberfläche gleiten, verschwimmt alles: das Gewicht des Tages, der Lärm der Welt, die Hektik des Alltags. Über uns steht der Himmel in dämmerigem Grau, und hinter dem Dampf zeichnen sich die Lichter der Stadt unscharf ab.
So beginnt unsere Reise an den Bodensee. Eine Reise, die wir im Herbst und Winter erleben, wenn die Region ihre sanfteste und vielleicht poetischste Seite zeigt. Wenn Nebel der Landschaft neue Konturen verleiht, Lichter in Fenstern wie kleine Versprechen wirken und die Uferwege stiller sind als sonst. Wir haben uns entschlossen, dem Bodensee in dieser besonderen Zeit zu begegnen — mit viel Wellness, ein wenig Kultur, einer Handvoll Schlösser und Museen und ganz viel Raum für all das, was in den warmen Monaten oft übersehen wird: die Ruhe, die Tiefe, die Magie.
Tag 1: Konstanz
Unsere Reise beginnt bewusst ruhig. Wir lassen das Auto stehen, ziehen die Taschen ins Hotel Augustiner Tor in Konstanz und spüren sofort, wie die Stadt uns ein wenig umfängt. Ein Mix aus mittelalterlichen Gassen, studentischer Leichtigkeit und dem leisen Klang der Wellen am Hafen.
Doch wir wollen heute nichts mehr entdecken. Wir wollen eintauchen — und zwar wortwörtlich.
Bodenseetherme Konstanz: Wärme, die im November wie ein Geschenk wirkt

Foto: Bädergesellschaft Konstanz
Als wir die Therme betreten, empfängt uns diese Mischung aus hallendem Wasserplätschern, gedämpften Stimmen und wohligen Temperaturen. Doch es ist das Außenbecken, das diesen Ort besonders macht.
Wir steigen hinein.
Das Wasser umschließt uns.
Der Nebel schließt sich über uns.
In der Ferne schimmern die Lichter wie hinter einer milchigen Scheibe, und die dunkle Fläche des Sees verschmilzt mit dem Himmel. Es ist einer dieser raren Momente, in denen wir das Gefühl haben, nicht mehr ganz am Ufer zu stehen, sondern irgendwo dazwischen — zwischen Himmel, Wasser und Wärme.
Saunawelt mit Blick
Wir wechseln zwischen See, Wärme, Ruhe. Die Panorama-Sauna schenkt uns einen fensterbreiten Blick auf die abendliche Uferlinie. In der Stille hören wir nur das Knacken des Holzes. Und als wir später die Wellness-Oase verlassen, wirkt es fast surreal: Der Nebel hat sich verdichtet, der See ist nur noch zu ahnen, die Lichter von der anderen Seite flirren wie kleine Irrlichter.
Ein perfekter Auftakt.
Ein langsames Ankommen.
Ein Versprechen für die kommenden Tage.
Tag 2: Konstanzer Geschichte
Nach einer ruhigen Nacht im Hotel Augustiner Tor und einem ausgiebigen Frühstück ziehen wir los. Konstanz zeigt sich im Herbst anmutig: leichte Feuchtigkeit in der Luft, Blätter auf dem Pflaster und ein Licht, das die Fassaden weich erscheinen lässt.
Stadtrundgang: Ein Mosaik aus Geschichte und Leben
Wir beginnen am Münster. Der mächtige Bau ragt über die Stadt, und wer es wagt, die Turmstufen hinaufzusteigen, wird oben mit einem Blick belohnt, der weit über die Dächer der Stadt reicht.
Von hier oben wirkt alles geordnet, still. Unten, in den Gassen, herrscht das leise Treiben einer Stadt, die groß genug ist, um inspirierend zu sein, und klein genug, um beruhigend zu wirken.
Konzil und Hafen
Wir schlendern weiter zum Konzil. Der Bau, in dem einst Geschichte geschrieben wurde, steht mit seinen dunklen Balken wie ein Zeuge längst vergangener Tage und ist heute eine einzigartige Eventlocation. Hinter ihm öffnet sich der Hafen.
Wellen klatschen gegen die Steine, Möwen ziehen kreischend ihre Kreise, und die Imperia dreht sich gemächlich wie eine Figur auf einer überdimensionalen Spieluhr.
Wir setzen uns kurz hin und lassen die Kulisse auf uns wirken. Es ist dieser Mix aus See, Stadt und mildem Herbstlicht, der Konstanz so viel Persönlichkeit gibt.
Insel Mainau und der Christmas Garden

Als die Dämmerung einsetzt, fahren wir zur Insel Mainau. Im Sommer ein Ort voller Blumen, im Winter ein Ort voller Licht. Der Christmas Garden ist kein lauter Weihnachtsmarkt, sondern ein stiller, kunstvoll gestalteter Pfad. Wir betreten die Welt der Installationen und fühlen uns, als würden wir in ein modernes Märchen eintreten.
Bäume leuchten in Pastelltönen.
Pfadlichter weisen Wege durch die Dunkelheit.
Musikalische Untermalung verwandelt die Natur in eine Bühne.
Wir wandern fast ehrfürchtig durch diese Atmosphäre. Immer wieder bleiben wir stehen, staunen, fotografieren. Lichtinstallationen, die wie Wellen auf dem Wasser wirken, Sträucher wie von innen heraus illuminiert, Kunstobjekte zwischen alten Baumriesen.
Wir nehmen uns Zeit.
Wir lassen uns treiben.
Wir vergessen die Uhr.
Ein Abend, der sich in die Haut schreibt.



Tag 3: Meersburg und Pfahlbauten

Der Morgen begrüßt uns mit klarer Luft und einem See, der wie ein weites, graublaues Tuch daliegt. Wir betreten die Fähre, die uns von Konstanz hinüber nach Meersburg bringt, lehnen uns an die Reling, und der Wind kitzelt uns nicht wie im Sommer leicht die Stirn, sondern pritzelt schon recht ordentlich, so dass wir den Reißverschluss der Jacke noch ein Stück höher ziehen.
Die Fahrt dauert etwa 15 Minuten, da liegt die barocke Silhouette von Meersburg vor uns: terrassenartig, mittelalterlich, märchenhaft -die Schlossanlage, die Weinberge, die Türme. Doch bevor wir in die Gassen und die Historie eintauchen, führt uns unser Weg weiter westlich am See entlang.
Heute wollen wir nicht nur in die Geschichte der Bodenseeregion eintauchen, sondern noch weiter zurück — viel weiter.
Pfahlbauten Unteruhldingen – Eine Reise über tausende Jahre zurück
Eine kurze Busfahrt später (übrigens lässt sich in der Region fast alles sehr gut mit dem Bus erfahren) erreichen wir Unteruhldingen, wo eines der faszinierendsten Freilichtmuseen Europas auf uns wartet: die Pfahlbauten.
Schon beim Eintritt in das Gelände spüren wir, dass hier die Zeit eine andere Bedeutung hat. Die rekonstruierten Hütten stehen auf Stelzen über dem Wasser, genauso wie sie es in der Stein- und Bronzezeit taten. Holz, Binsen, Lehm — alles wirkt archaisch und zugleich erstaunlich lebendig.
Wir schreiten über die Stege, hören das Knarzen unter unseren Füßen und schauen durch offene Türen in Wohnräume, Werkstätten und Speicher. Über Nacht ist es plötzlich Winter geworden und jeder Aufenthalt in einer der Hütten ist eine kleine Zuflucht vor dem eisigen Wind. Wie mag es den Menschen vor einigen tausend Jahren erst ergangen sein?
Die wenigen Besucher verleihen dem Ort eine ganz eigene Magie. Keine Menschenmengen, keine Hektik. Nur wir, die schmalen Wege und das Wasser, das leise gegen die Pfähle klatscht.
In manchen Hütten riecht es nach Holz und Erde, andere zeigen Werkzeuge, Getreidereste oder Tongefäße. Multimediale Stationen ergänzen das Bild, aber die größte Wirkung hat die Stille:
eine Stille, die uns mit den Menschen verbindet, die hier einmal lebten — mit ihren Hoffnungen, ihren Sorgen, ihrer Nähe zur Natur.
Draußen zieht der Nebel über den flachen Uferbereich. Der See wirkt an diesem Vormittag, als würde er die Vergangenheit festhalten. Und wir lassen uns darauf ein.

Foto: Pfahlbaumuseum
Meersburg – Mittelalterromantik am Hang
Wir fahren zurück nach Meersburg, wo wir in der Oberstadt die Altstadtgassen entlangschlendern. Fachwerkhäuser lehnen sich aneinander, Weinreben klettern über Mauern, und die Aussicht über den See ist an diesem Herbsttag besonders eindrucksvoll.
Im Hotel „Wilder Mann“, das direkt an der Uferpromenade liegt, legen wir kurz die Füße hoch, bevor wir uns dem nächsten Höhepunkt widmen.

Therme Meersburg – Ein stiller Ort zwischen Wasser und Himmel
Am späten Nachmittag steigen wir die Stufen zur Therme hinunter. Ein Spaziergang über den Uferweg führt uns zum Eingang — und kaum sind wir im warmen Wasser, ist die Welt wieder klein und warm.
Das Außenbecken ist ein Geschenk für alle, die Stille lieben. Die Lichter des Ortes spiegeln sich sanft im Wasser. Der Himmel wird kupferfarben, dann violett, dann dunkel.
Wir lassen uns treiben, hören nichts außer Wasser und Wind, und spüren, wie sich der Tag in uns ablegt — besonders die Bilder der Pfahlbauten, die noch in unseren Gedanken schweben, als wären wir selbst durch die Zeit gereist.
Tag 4 – Meersburger Geschichte
Wir haben tief und traumlos geschlafen und genießen ein reichhaltiges Frühstück in unserem Hotel. Die Auswahl ist so groß, dass wir gern länger verweilen möchten, doch wir wollen früh losgehen. Die Gassen sind noch leer bis auf die Handwerker, die gerade den Weihnachtsbaum aufstellen. Die alte Burg taucht mit seiner wuchtigen Präsenz vor uns auf und der Wächter gewährt uns gnädig Einlass.

Unser Rundgang mit einem mobilen Guide führt uns durch 35 Räume, die nach Jahrhunderten klingen: Waffenhalle, Verlies und Fürstensaal mit knarrenden Dielen, dicken Mauern, niedrigen Türen. Aber auch Ausblicke über den See, die schon Menschen vor vielen Generationen berührt haben müssen. Berühmteste Bewohnerin war die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, die hier ihre letzten Lebensjahre bis 1848 verbrachte.
Wieder draußen liegt das Neue Schloss mit barocker Eleganz vor uns. Helle Farben, hohe Fenster, weite Terrassen. Eine Leichtigkeit, die dem Ort eine besondere Poesie verleiht.
Seepromenade und Höhenweg – Bodensee-Poesie

Nach dem Burgbesuch wandern wir den Höhenweg entlang. Eine Route, die sich oberhalb von Meersburg entlangzieht und uns immer wieder mit Blicken auf den See beschenkt, die fast unwirklich schön wirken:
Silberflächen.
Lichtreflexe.
Ein Himmel, der sich ständig neu erfindet.
Hier finden wir etwas, das schwer zu beschreiben ist: eine Form von innerer Stabilität, die nur die Natur schenken kann, auch wenn die Sonne uns gerade nur mäßig verwöhnt.
Therme Überlingen – Nachhaltiger Genuss am Wasser
Am Nachmittag fahren wir nach Überlingen. Die dortige Bodenseetherme wirkt wie die große Schwester der Meersburger Anlage: modern, weitläufig, elegant und durchdacht.
Sie setzt auf Nachhaltigkeit, regionale Elemente, natürliche Materialien. Und das spürt man.
Die verschiedenen Saunen öffnen den Blick auf den See wie große Bilderrahmen. Die Ruhezonen duften nach Holz und Kräutern. Im großen Außenbecken mit Sprudelliegen, Massagedüsen und Strömungskanal haben wir den Bodensee immer im Blick.
Hier bleiben wir lange.
Sehr lange.
Bis sich die Dämmerung über den Himmel legt und das Wasser dunklere Töne annimmt.

Foto: Bodenseetherme Überlingen
Tag 5 – Friedrichshafen: Die Träume der Luftschiffe
Am letzten Tag verlassen wir mit dem „Wilden Mann“ auch Meersburg und fahren nach Friedrichshafen. Der Wind ist stärker hier, der See offener, das Ufer weiter.

Im Zeppelin Museum tauchen wir in eine Welt ein, die von Träumen getragen wurde — von Menschen, die glaubten, dass der Himmel nur ein Anfang sei. Es erzählt eine Geschichte, die fest mit der Region verwoben ist: die der Luftschiffe, der Technikpioniere, der großen Visionen.
Modelle, Originalteile, Rekonstruktionen.
Riesige Aluminiumgerippe.
Multimediale Installationen, die uns spüren lassen, wie es gewesen sein muss, mit einem Luftschiff den Himmel zu durchqueren.
Dieser Besuch ist nicht nur ein technisches Erlebnis. Es ist ein Blick in eine Zeit, in der Vorstellungskraft eine Kraftquelle war, die ganze Städte prägte. Ein Besuch im Herbst oder Winter lohnt besonders – weniger Andrang, mehr Raum für die Details, die diese Geschichte so faszinierend machen.
Was bleibt
Als wir am Abend nach Hause fahren, trägt der See ein graublaues Kleid. Die Ufer verschwimmen, der Wind streicht über die Wasseroberfläche, und wir spüren eine Mischung aus Ruhe und Inspiration.
Diese Reise hat uns gezeigt, dass der Bodensee im Herbst und Winter nicht schläft.
Er verändert sich.
Er öffnet sich.
Er zeigt seine stille Stärke.
Herbst und Winter entlarven den Bodensee als Ort, der keine Kulisse braucht, um zu beeindrucken. Er wirkt in diesen Monaten authentischer, ungeschminkter, kraftvoller. Zwischen Nebel und Lichtern, zwischen warmem Wasser und kalter Luft, zwischen Museen und Schlössern haben wir eine Region erlebt, die uns näher gekommen ist, als wir erwartet hätten.
Wir nehmen Wärme mit.
Bilder, die bleiben.
Momente, die nachklingen.
Und das Gefühl, dass der Bodensee im Winter nicht weniger bietet als im Sommer — sondern etwas ganz Anderes. Vielleicht sogar etwas Größeres.

















