Karlsruhe: Fächerstadt feiert VerfassungsFEST

Karlsruhe - Residenz des Rechts.
Karlsruhe - Residenz des Rechts.
Das Grundgesetz für die Jackentasche.
Das Grundgesetz für die Jackentasche.

Die „Residenz des Rechts“ steht in ihrer mehr als 300-jährigen Geschichte für die Kontinuität bürgerlicher Rechte. Schon zur Gründung der Fächerstadt im deutschen Südwesten bot der Privillegienbrief von 1715 Rechte wie die Religionsfreiheit, die Freiheit von Frondiensten sowie der Leibeigenschaft und ist heute Sitz des höchsten Gerichtes zum Schutz der verfassungsmäßigen Freiheitsrechte. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde die einstige Residenzstadt zur Heimat des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes sowie der höchsten Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik.

Zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes lädt Karlsruhe vom 22. – 25. Mai 2019 zu einem besonderen Highlight im Veranstaltungskalender ein und feiert das bundesweit einzige VerfassungsFEST. Anlass, um sich mit der badischen Metropole und den Schauplätzen des Rechts nahe des Rheins näher zu beschäftigen.

Ursula Friede am Stadtplan der Fächerstadt
Ursula Friede am Stadtplan der Fächerstadt.

„Die Nähe zu Frankreich war immer ausschlaggebend zu allem was passiert ist,“ urteilt Ursula Friede, die seit über drei Jahrzehnten Gäste aus nah und fern für die am Reißbrett geplante Fächerstadt eines absolutistisch regierenden Herrschers begeistert. „Wir hätten nie die erste liberale Verfassung und nie das erste Deutsche Parlament gehabt“, so die Stadtführerin, die 2019 erstmals eine individuelle Route zu den Orten des Rechts in Karlsruhe ausgearbeitet hat. Warum drei der wichtigsten deutschen Justiz-Instanzen ihren Sitz in Karlsruhe haben und Karlsruhe bei der Entwicklung des heutigen Rechtsverständnisses eine ganz besondere Rolle einnimmt, haben am vergangenen Wochenende auch die beiden Berliner Gäste erfahren, die vor über zwei Jahrzehnten von der Spree an den Rhein gezogen sind.

Stadtrundgang mit Ursula Friede
Stadtrundgang mit Ursula Friede.

Die Führung startet vor dem Karlsruher Schloss, direkt am Denkmal des ersten badischen Großherzogs Karl Friedrich (1728-1811) und Enkel des Stadtgründers. „Die Urkunde zur Aufhebung der Leibeigenschaft in Baden hält Karl Friedrich hier in seiner rechten Hand“, erklärt Ursula Friede und fügt stolz hinzu: „Das war 1783, also sechs Jahre vor der französischen Revolution!“ Dank einer langen Regierungszeit von 65 Jahren gilt der absolutistische Herrscher mit seinen Reformen als Vorreiter für die Badische Verfassung von 1818. Nur wenige Meter davon entfernt bezeugt der „Platz der Grundrechte“ die besondere Beziehung der Stadt zum Recht und bringt die Bedeutung zum Ausdruck, die das Recht für die Demokratie hat. 24 Schilder präsentieren auf Vorder- und Rückseite die Aussagen von Vertretern des Rechts und des öffentlichen Lebens, aber auch die Erfahrungen von Menschen, über die Recht gesprochen wurde. Der „Platz der Menschenrechte“ wurde 2015 vor einer der einst größten Rüstungsfabriken eingeweiht und verbindet mit dem heutigen ZKM – Zentrum für Kunst und Medien – Kultur und Recht durch die nahegelegene Bundesanwaltschaft.

Historische Blickachse zur Pyramide
Historische Blickachse zur Pyramide.

Historisch imposante Baulichkeiten wie das Erbgroßherzogliche Palais, seit 1950 Sitz des Bundesgerichtshofs und das Prinz Max Palais, in dem zunächst das Bundesverfassungsgericht (BVG) zum Schutz der verfassungsmäßigen Freiheitsrechte untergebracht wurde, stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Erst 1969 entstand nahe dem Schloss ein Komplex aus fünf pavillonartigen, in die Höhe gestaffelte Baukörper mit Flachdächern, die architektonisch die Transparenz und Offenheit der demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassung im Grundgesetz zum Ausdruck bringt.

Verfassungssäule zum Andenken an die Verfassung.
Verfassungssäule zum Andenken an die Verfassung.

Doch nicht nur auf dem juristischen Papier war Karlsruhe fortschrittlich. Die badische Volksvertretung zog 1822 in das erste deutsche Parlamentsgebäude, das Ständehaus ein, dem nach dem Krieg in der Stadtbibliothek besondere Aufmerksamkeit gewidmet ist. Auf der Tour folgen weitere Punkte von juristischer Bedeutung wie die Verfas­­sungs­­­säule und das 1825 fertig gestellte Rathaus, des klassizistischen Baumeisters Friedrich Weinbrenner (1766-1826). Zurück am Marktplatz endet der Rundgang an der Pyramide, dem Wahrzeichen der Stadt. Hier schließt sich der Kreislauf zur „Residenz des Rechts“, denn schlussendlich fand hier der Stadtgründer Markgraf Karl Wilhelm seine letzte Ruhe in der Gruft.

 

Text & Fotos: Sabine Zoller